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Coronapandemie als Rechtfertigung für die Aufhebung eines Vergabeverfahrens?
VK Bund, Beschl. vom 07.05.2020 (Az.: 2-31/20)
In dem Nachprüfungsverfahren vor der 2. Vergabekammer des Bundes vom 07.05.2020 (Az.: 2-31/20) war die Antragstellerin Bieterin in einem am 15. Januar, vor Ausbruch der Coronapandemie, veröffentlichten Vergabeverfahren. Das Verfahren beinhaltete die Konzeption und Durchführung von Maßnahmen zur Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Der Beginn dieser Dienstleistung war für den Mai 2020 vorgesehen. Nach Ende der Angebotsfrist informierte die Antragsgegnerin alle Bieter gemäß §134 GWB über die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das von der Antragstellerin eingereichte Angebot.
Nach dieser Information gemäß §134 GWB brach das Coronavirus über Deutschland herein. Nach intensiven Überlegungen über die neue Situation der Pandemie und die damit einhergehenden Änderungen am Arbeitsmarkt, entschied sich die Antragsgegnerin zur Aufhebung der Ausschreibung. Dies begründete sie außerdem mit der Umverteilung der Haushaltsmittel und der Probleme bei der praktischen Durchführung von Präsenzveranstaltungen wegen der Coronapandemie. Die Mitteilung über die Aufhebung erfolgte am 23.03.2020.
Die Antragstellerin rügte damit zum 25.03.2020, dass kein Aufhebungsgrund vorhanden wäre. Diese Rüge wurde unter anderem mit einem Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums begründet, in welchem auf die Möglichkeit von Vertragsveränderungen und -verlängerungen gemäß § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GWB hingewiesen wurde. Weiterhin begründete die Antragstellerin ihre Rüge damit, dass die Antraggegnerin angegeben hatte, dass der Verbrauch der ausgeschriebenen Leistung nicht grundsätzlich wegefallen sei. Weiterhin stütze die Antragstellerin ihre Rüge auf das Argument, dass sich zwischen dem Zeitpunkt der Information über die beabsichtigte Zuschlagserteilung am 12. 03.2020 und dem Zeitpunkt der Aufhebung am 23.03.2020 die grundsätzlichen Rahmenbedingungen nicht verändert hätten.
Damit kam es zum Nachprüfungsverfahren vor der 2. Vergabekammer des Bundes.
Beschluss der Vergabekammer:
Der Nachprüfungsantrag verblieb ohne Erfolg. Nach Aussage der Vergabekammer hatte sich die Grundlage des Verfahrens sehr wohl geändert und die Antragsgegnerin konnte die Aufhebung des Verfahrens gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VgV durchführen.
Bei der durch das neuartige Coronavirus hervorgerufenen Pandemie handelt es sich eindeutig weder um ein von der Antragsgegnerin zu verantwortendes Ereignis noch um ein vorhersehbares. Die Antragsgegnerin konnte der Vergabekammer glaubhaft darstellen, dass sich durch die pandemische Corona Lage für sie die Ausgangslage des Verfahrens grundlegend verändert hat.
Darüber hinaus konnte die Antragstellerin sich auf das Argument der fehlenden Finanzierungsgrundlage durch dieses unvorhersehbare Ereignis berufen.
Des Weiteren wurde diskutiert, inwieweit der Zeitraum zwischen der Information nach § 134 GWB am 12.03.2020 und der Aufhebung oder zwischen der Auftragsbekanntmachung am 15. Januar 2020 und der Aufhebung entscheidend ist für die Veränderung der Rahmenbedingungen. Die Vergabekammer entschied für zweiteres, da die Information nach §134 GWB einzig dem Rechtsschutz der Bieter dient und die Bieter dadurch keinen Anspruch auf Fortführung des Vergabeverfahrens erhalten. Darüber hinaus wurde in die Entscheidung mit einbezogen, dass sich auch nach dem 12.03.2020 die Rahmenbedingungen durch dem am 23.03.2020 ausgerufenen harten Lockdown nochmals entscheidend geändert hätten.
Fazit:
Die Vergabekammer hat klar dargestellt, dass Bieter auch nach Übermittlung der Information nach §134 GBW über die beabsichtigte Zuschlagserteilung keinen Anspruch haben auf die Erteilung des Auftrages. Nach der VK Bund liegt die Entscheidung über die Erteilung des Auftrages oder die Aufhebung der Ausschreibung ausschließlich beim Auftraggeber, sogar wenn die Aufhebung der Ausschreiung ohne einen in den Vergabe- und Vertragsordnungen genannten Grund erfolgt.
In diesem Falle wurde die Corona-Pandemie als nicht vorhersehbares, die Rahmenbedingungen änderndes Ereignis angeführt und das mit vielen Argumenten der Antragsgegnerin belegt. Alleine das Auftreten der Corona-Pandemie reicht aber nicht für alle Ausschreibungen als Aufhebungsgrund. Die Nennung dieser besonderen Umstände bedarf immer genauer Prüfung.
Den gesamten Beschluss der Vergabekammer finden Sie unter :
https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Entscheidungen/Vergaberecht/2020/VK2-31-20.pdf;jsessionid=01919CB5A1BDCD0234425FA39635D341.1_cid362?__blob=publicationFile&v=3